Der neue Bürgermeister wusste, was auf ihn zukommt – eine Rede mit schlechten Nachrichten. Für 2020 erwartet die Verwaltung für die Stadt Langen eine Finanzlücke von 6,7 Mio. €, für 2021 noch immer ein Defizit von 4,2 Mio. €. Die Lücken basieren auf dem auch coronabedingten Einnahmeneinbruch bei der Gewerbesteuer wie fehlenden Einnahmen bei Kitagebühren, Stadthalle und weiteren Einrichtungen. Nur knapp drei Mio. € wird der Bund wegen der Gewerbesteuerausfälle hinzuschießen. Zumindest verkleinern will er die Lücken mit Hilfe einer weiteren Grundsteuererhöhung sowie Gebührenerhöhungen.
Die SPD – Fraktion stimmte dieser „Lösung“ nicht zu. Die Fraktionsvorsitzende Margrit Jansen begründete dies mit der folgenden im Wortlaut wiedergegebenen Rede:
„Der Bürgermeister hat uns soeben – erwartungsgemäß – einen Corona-infizierten Haushaltsplan für das kommende Jahr vorgelegt. Einen Haushalt, der Finanzlöcher in Millionenhöhe aufweist. Finanzlöcher, für die wir heute noch kein Heilmittel haben. Ja, auch keins haben können – denn niemand weiß, wie lange wir noch mit Corona umgehen müssen.
Jetzt am Haushalt mit Gebührenerhöhungen herumzudoktern ist daher sinnlos. Völlig sinnlos, weil diese Gebührenerhöhungskarawane nichts, aber auch gar nichts zur Genesung unseres Haushaltes beitragen kann. Gebührenerhöhungen sind zudem das falsche Signal, wenn es darum geht, den Gemeinsinn und das Vertrauen in die Zukunft zu stärken. Gerade das haben wir jetzt bitter nötig. Den Kinderbonus für Eltern und die Senkung der Mehrwertsteuer z.B. gibt es doch nicht, damit die Kommunen den Eltern noch tiefer in die Tasche greifen können.
Ja, der Kitabereich ist nach der Kreis- und Schulumlage – der dickste Brocken in unserem Haushalt. Aber das ist in allen anderen Kommunen auch nicht anders. In der Pressemitteilung des Magistrates war zu lesen, dass der Kostendeckungsgrad der Elternbeiträge bei uns auf 9,5 % gesunken ist. Und ich sage: Damit sind wir genau auf dem richtigen Weg. Unser Ziel ist und bleibt 0% Kostendeckungsbeitrag und damit die Abschaffung der Kitabeiträge.
Die Abschaffung der Elternbeiträge ist aber nicht nur Ziel der SPD-Fraktion. Die Abschaffung der Kitabeiträge ist das Ziel dieser STVV. Das scheint die Mehrheit hier leider vergessen zu haben. Bereits im Sommer 2017 haben wir einstimmig eine Resolution für gebührenfreie Kitas beschlossen. Gerne zum Nachlesen – siehe DS 210-3/XVIII/17. Selbstgesteckte Ziele und Versprechungen sollte man nicht nur, sondern besonders in Krisenzeiten nicht aus den Augen verlieren. Das gilt nicht nur für uns hier in Langen – das gilt auch für die hessische Landeregierung. Das Land Hessen hat im August 2018 – kurz vor den Landtagswahlen – endlich einen längst überfälligen richtigen Schritt zur Gebührenbefreiung der Eltern getan. Nämlich die Abschaffung der Kitagebühren für alle Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt. Leider bisher nur für sechs Stunden pro Tag.
Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. Für jedes Kind die beste Bildung von Anfang an. Wie wichtig das ist, haben uns die letzten Monate noch einmal mit aller Deutlichkeit klargemacht. Ich erwarte deshalb, dass zügig die nächsten Schritte folgen und dass sich insbesondere die verantwortlichen Hauptamtlichen in dieser Stadt mit aller Kraft dafür beim Land Hessen einsetzen.
Beste Bildung von Anfang an. Das darf nicht an fehlenden Kitaplätzen scheitern. Und hier haben wir in Langen wirklich genug zu tun. Das darf aber auch nicht daran scheitern, dass sich die Kitagebühren immer weiter nach oben schrauben und diese dann nur noch für gut- und besserverdienende Eltern bezahlbar sind. Seit Jahren macht die SPD-Fraktion auf diese Gefahr aufmerksam.
Ich appelliere deshalb auch noch einmal an die Elternschaft. Sie haben heute eindrucksvoll und völlig zurecht gegen die fehlenden Kitaplätze in unserer Stadt demonstriert. Bleiben Sie auch solidarisch mit den Eltern, für die Gebührenerhöhungen schwer und schwerer wiegen als für Besserverdienende.
Weder die finanzielle Lage einer Kommune noch der Geldbeutel der Eltern dürfen darüber bestimmen, ob wir uns gute Bildung für alle Kinder leisten können. Gute Bildung von Anfang an, das ist – wie der Schulbesuch auch – eine Gemeinschaftsaufgabe.
Schauen wir uns aber noch einmal die Gebührenerhöhungsvorlage des Magistrats genauer an. Da wird uns vorgerechnet, dass für 2021 mit 10 % plus eine Einnahmeverbesserung von 161.521 € erreichbar ist. Und weiter: „Alternativ würde eine Erhöhung der Grundsteuer um 10 Prozentpunkte 160 000 € entsprechen.“ Wem soll hier ein X für ein U vorgemacht werden? Wir alle – also auch alle Eltern – zahlen Grundsteuer in Langen. Die Eltern beteiligen sich somit auch bereits jetzt über die Kitagebühren hinaus an den anfallenden Kitakosten. Und ich sage es noch einmal, wenn Steuereinnahmen wirklich gut angelegt sind, dann für gute Bildung.
Wer hier aber zuerst die Grundsteuer meint, der ist auf dem falschen Weg. Bund und Land sind aufgefordert die Weichen richtig zu stellen und die Kommunen nicht auf gesetzlich verordneten Kosten allein sitzen zu lassen. Das gilt auch für Tariferhöhungen im Kitabereich, die der Magistrat zurecht ins Feld führt. Aber leider an der falschen Stelle. Wenn der Magistrat von Grundsteuererhöhungen spricht, wofür ich ausdrücklich nicht plädiere, dann muss man auch noch folgendes klarstellen – auch wenn das insbesondere der CDU und der FDP so gar nicht gefällt – aber die SPD ist auch hier für volle Transparenz:
Das Land Hessen stellt uns für jedes Kind im Alter von drei Jahren bis Schuleintritt im Zuge der bereits genannte Gebührenfreistellung monatlich rund 136,– € zur Verfügung. Also auch für alle Kinder, die bisher keinen Kitaplatz haben. 136 € x 12 Monate x aktuell 271 fehlende Plätze in Langen bei den Drei- bis Sechsjährigen ergibt rund 442 000 € pro Jahr. Das ist Geld, das den Eltern zusteht. Das sind, weil der Magistrat uns das gerne in Grundsteuerpunkten vorrechnet – 28 Punkte Grundsteuer B. Auch das gilt es zu berücksichtigen, bevor man Gebührenerhöhungen ins Auge fasst.
Zusammengefasst:
Der richtige Weg ist und bleibt die Abschaffung der Kitagebühren.
Denn Kita-Gebührenerhöhungen retten weder unseren desolaten Haushalt noch den irgendeiner anderen Kommune.
Kita-Gebührenerhöhungen schaffen nicht einen neuen Kita-Platz.
Kita-Gebührenerhöhungen sind doppelt falsch in Zeiten, in denen viele Eltern um ihren Arbeitsplatz bangen und mit Kurzarbeit kämpfen. Die Signale müssen auf Entlastung, nicht auf Belastung gestellt werden.
Der gesetzlich vorgeschriebene Ausbau der Kitaplätze wird uns vor weitere große finanzielle Herausforderungen stellen. Aber diese sind – wie auch die Abschaffung der Gebühren – nur mit Hilfe von Land und Bund zu stemmen.
Wir brauchen also keinen Rückwärtsgang. Wir brauchen weitere mutige Schritte nach vorne. Nicht zuletzt dem Bildungsstand in unserem Land wird das guttun. Die Zeit dafür ist überreif.
Das sind viele gute Gründe, neue Wege zu gehen. Und deshalb lehnt die SPD-Fraktion den vorliegenden Antrag ab – und das sollten wir hier jetzt alle tun.“
Im Ergebnis stimmten die SPD, Grüne und die Vertreterin der Linken gegen die 10 % – Gebührenerhöhung, die CDU/FDP/NEV/UWFB dafür, womit alle Eltern nun mehr für die Kinderbetreuung ausgeben müssen.