SPD lehnt den Haushalt 2021 ab

In der entscheidenden Haushaltssitzung der Stadtverordnetenversammlung beschloss die Bürgermeistermehrheit aus CDU, Grünen und FWG den Haushaltsplan für 2021. Die SPD lehnte diesen ab. Warum, das erklärte der Stadtverordnete Joachim Knapp in seiner Haushaltsrede.

Die Haushaltsrede lautete wie folgt:

„Wir stehen am Endes Jahres 2020, das uns wegen der Corona-Pandemie sicherlich noch für viele Jahre in Erinnerung bleiben und das uns auch in finanzieller Hinsicht über viele Jahre verfolgen wird. Die Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, auf Freundschaften und ja, auch auf Familien, sind nicht abzusehen.

Vor diesem Hintergrund sollen wir heute über den städtischen Haushalt beschließen, dessen Inhalte nicht klar sind, ich erinnere nur an die Änderungsvorlage zur Drucksache 554-4, die erst seit zwei Tagen auch den Mitgliedern dieses Organs vorliegt, die sich für den elektronischen Versand entschieden haben, und die nun doch ein Defizit von 598.114,00 € ausweist – eine schwarze Null sieht anders aus – oder an einen Stellenplan, der am Freitag korrigiert wurde – oh tut uns leid, war ein Versehen –

Die Beratungen in den letzten Wochen haben gezeigt, wie sehr doch die Nerven einiger Handelnder blank liegen. Anstatt auf Dialog und Ausgleich setzt man auf Druck, der von überforderten Eltern auch gerne in der Kindererziehung angewandt wird. Wenn… dann – von diesem Motto waren die Haushaltsberatungen in diesem Jahr leider geprägt. Wenn vom Bürgermeister angeordnete Gesprächstermine nicht in den Kalender passen, na, dann eben nicht… Wenn man nie dagewesenen Grundsteuererhöhungen nicht zustimmen will – na, dann gibt es halt keine neue Kindergartenplätze… Das Werben um breite Mehrheiten – auch in der Öffentlichkeit – sieht anders aus.

CDU und FDP behaupten – und hier insbesondere die CDU sowie der Bürgermeister – wir könnten nicht rechnen und hätten keine Einsparvorschläge gemacht. Dabei sitzen Sie selbst im Glashaus. Anstatt für das Erreichen der angeblich unerlässlichen schwarze Null selbst gute Vorschläge einzubringen – gibt es von Ihnen nur kritiklose Gefolgschaft zu allem, was aus dem Büro ihres Bürgermeisters kommt. Ihre Antwort auf die Haushaltsprobleme unserer Stadt ist Null, Zero, nichts geht mehr. Außer – natürlich – drastische und nie dagewesene Grundsteuererhöhungen. Was hätte es hier für ein Gezeter gegeben, wenn die SPD in den vergangenen Jahren nur darauf gesetzt hätte….

Von einem Magistrat unter der Führung eines Bürgermeisters, der als Fachmann für Kommunalfinanzen in den Wahlkampf gezogen ist, hätten wir uns andere, sachdienliche Vorschläge erwartet. Wir sind alle durch unser Mandat und Amt den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Langen verpflichtet, an deren Wohl und Wünschen haben wir uns zu orientieren. Wir hätten uns erwartet und erhofft, dass die Auseinandersetzung mit der Kommunalaufsicht geführt wird, um auch ein Defizit für das Jahr 2021 zu akzeptieren. Der Erlass des Hessischen Ministerium des Inneren und für Sport besagt nämlich:„Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass vermehrt hessische Städte und Gemeinden von der Soll-Vorschrift des § 92 Abs. 4 HGO zum Haushaltsausgleich abweichen müssen. Bei der Genehmigung dieser unausgeglichenen Haushalte werden die pandemiebedingten Auswirkungen auf die Haushalts- und Finanzplanung der jeweiligen Kommune, die vorhandenen Konsolidierungspotentiale, die für die Aufgabenwahrnehmung erforderliche Investitionstätigkeit sowie die Fähigkeit, vorübergehende Defizite mit Überschüssen der Folgejahre wieder zu erwirtschaften, angemessen berücksichtigt.“

Das hätte Arbeit und Diskussion bedeutet, dies wurde wohl vermieden. Warum eigentlich? Ja, es stimmt. Es ist nicht leicht, Verantwortung zu übernehmen. In schweren Zeiten erst recht nicht. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, der Bürgermeister und seine CDU üben noch – aber das ist leider keine Entschuldigung für das Durcheinander, das sie hier anrichten

Sie fragen nach Einsparvorschlägen von der SPD, weil Ihnen selbst ja leider nichts eingefallen ist. Gerne: Zum Beispiel im Kitabereich. Wo Plätze jetzt sofort und nicht erst übermorgen gebraucht werden. Wir schlagen Wald- und Naturkitas vor. Aber diese vergleichsweise kostengünstigen und schnellen Lösungen gibt es nur woanders. In Langen verstauben sie in der Schublade. Hier werden stattdessen überteuerte Prestigeprojekte, wie es etwa die sogenannte „Musik-Kita“ – ich zitiere: „Ideengeber Jan Werner“ (Bürgermeister) – mit Hochdruck verfolgt. Ohne dass die Vorlagen vorher in den Fachausschüssen ausführlich beraten wurden, werden diese im Parlament schnell durchgepeitscht. Sparen am rechten Fleck, meine Damen und Herren, sieht anders aus.

Die CDU sollte als stärkste Fraktion schon die gestalterische Kraft sein und Ihre Verantwortung wahrnehmen. Doch davon war in den letzten Jahren nichts zu sehen. Die strukturellen Vorschläge für die Verbesserung des Haushalts kamen regelmäßig von der SPD. Jetzt stellt die CDU auch noch den Bürgermeister – doch die einzigen gestalterischen Ideen sind Gebührenerhöhungen auf Kosten der Langener Bürger. Da hätte man von der größten Fraktion im Langener Stadtparlament – zu Recht – mehr erwartet.

Und die Grünen schreien „Pfui Teufel“, wenn wir zur Mäßigung in diesen schweren Zeiten aufrufen. Wenn wir neue freiwillige Leistungen, wie das Jobticket für städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf den Prüfstand stellen. Andererseits aber haben die Grünen gar keine Mühe, bei der deftigen Grundsteuererhöhung entschlossen die Hand zu heben. Grundsteuererhöhungen, in nie dagewesener Höhe, die das Wohnen und Leben in dieser Stadt für alle deutlich verteuern werden. Und das wollen Sie der Erzieherin, die dank Ihrer Unterstützung jetzt mehr Miete zahlen muss, aber wahrscheinlich sogar zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu ihrem Arbeitsplatz kommt, mit einem RMV-Jobticket verzuckern? Das passt hinten und vorne nicht zusammen.

Dabei wird gerade hier noch behauptet, das Job-Ticket hätte für 2021 noch keine Haushaltsrelevanz, denn es käme ja sicherlich erst Ende 2021 oder gar erst 2022.

Gleichwohl wird – und diesen Widerspruch bitte ich doch mir zu erklären – im Haushalt so getan, als wären die im Stellenplan auch mit unserer Zustimmung neu geschaffenen Stellen bei der Feuerwehr, dem Ordnungsamt und auch bei den Kitas sofort ab dem 1. Januar 2021 besetzt und müssten daher mit „Geld hinterlegt“ sein. Wie denn das? Stehen die Erzieher und Erzieherinnen Schlange und warten darauf – endlich – in Langen arbeiten zu dürfen, wenn nur denn die Stellen genehmigt wären? Wieso brauchen wir dann Haushaltsmittel für Anwerbeaktionen und Job-Tickets?
Realistisch werden diese Stellen doch frühestens zum 1. Juli 2020 weitgehend besetzt, denn gerade die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen ja, dass der zuständige Fachbereich beim Umgang mit Bewerbungen im Kitabereich nicht gerade durch Geschwindigkeit glänzt.

Ebenso stehen im Haushalt Mittel für einen weiteren Radweg westlich der Bahn bereit, einem anderen Lieblingsprojekt der CDU, das uns mindestens 250.000,00 € kosten wird, sofern die Stadt die Zuschüsse – diese fallen bekanntlich wie Manna vom Himmel – erhält und zudem die noch fehlenden Grundstücke erwerben kann.

Auch haben wir einen Antrag auf pauschale Reduzierung der Sachkosten um 500.000,00 € eingebracht, dem Sie alle dankenswerter Weise zugestimmt haben.

Diese – von mir  hier genannten Punkte und vorgeschlagenen realistischen Haushaltsansätze – reichen aus, um auch mit der von uns vorgeschlagenen Grundsteuererhöhung um 75 Punkte einen – fast – ausgeglichenen und genehmigungsfähigen Haushalt zu beschließen.

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, dass unter diesen Vorzeichen die SPD-Fraktion den vorgelegten Haushalt ablehnen wird.

Zum Abschluss einige versöhnliche Worte:
Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Geduld, auch für die Zusammenarbeit in den letzten Monaten, ebenso bedanke ich mich bei den Mitgliedern des Magistrats, der Verwaltung und den Mitarbeitern der städtischen Betriebe.
Mein ganz besonderer Dank gilt den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und allen Vereinen. Deren Einsatz in diesen schwierigen Tagen ist nicht genug zu würdigen, in einer Krise zeigt sich, wie wichtig diese Arbeiten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind.

Ich wünsche Ihnen und uns allen noch eine gesegnete Adventszeit, besinnliche Weihnachtsfeiertage und einen guten Start in ein gesundes, glückliches Jahr 2021.“