Wilhelm Umbach

Wilhelm Umbach, geboren am 30. Dezember 1900, ein Sozialdemokrat der seit 1916 in der Gemeindeverwaltung Langen tätig war wurde unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner von der Militärregierung als erster Nachkriegsbürgermeister eingesetzt. Angesichts der herrschenden Not scheuten die Verantwortlichen in der Stadt auch keine unkonventionellen Maßnahmen und Aktionen jenseits der Legalität.

So ließ die Gemeindeverwaltung nach Darstellung Wilhelm Umbachs einen mit Lebensmitteln und Kleidern beladenen Güterzug, der auf dem Bahnhof Mitteldick stand, kurzerhand teilweise entladen und den Inhalt an die Bevölkerung verteilen.

Neben der Sorge um die Ausstattung der Einwohner mit lebenswichtigen Gütern musste sich die Gemeinde um zahlreiche Flüchtlinge, heimkehrende Kriegsgefangene und die obdachlos gewordenen Besitzer der Wohnungen kümmern, die von den Besatzern requiriert worden waren.Diese hatten unmittelbar nach dem Einmarsch Häuser und Wohnungen in der unteren Gartenstraße, der Elisabethenstraße, der Rudolf-Breitscheid-Straße, der Mierendorffstraße, der Wilhelm-Burk-Straße und später auch in der Friedrich-Ebert-Straße beschlagnahmt. Für ein halbes oder ein Dreivierteljahr mussten die Bewohner ihre Häuser räumen. Sie durften nur Kleidung für den eigenen Bedarf mitnehmen. Um die requirierten Wohngebiete wurde eine Sperrzone errichtet, die Deutsche nur mit Ausnahmegenehmigungen betreten durften. Die meisten der betroffenen Einwohner fanden bei Verwandten Unterschlupf. Dennoch stellte die Unterbringung der Übrigen eine große Belastung für die Gemeinde dar, weil die Wohnungsnot ohnehin groß war und außerdem noch für die Flüchtlinge eine Bleibe geschaffen werden musste. Da diese besonders auf schnelle und unbürokratische Hilfe angewiesen waren, errichtete man für sie provisorische Unterkünfte in der Mörfelder Landstraße.

Wilhelm Umbach, der in dieser schweren Zeit an der Spitze der Gemeindeverwaltung stand, genoss das Vertrauen weiter Bevölkerungskreise. Dennoch brachte nicht jeder Verständnis dafür auf, dass nun ein Mann an der Spitze der Stadtverwaltung stand, der Parteimitglied der NSDAP gewesen war. Unter denen, die sich gegen das Verbleiben Wilhelm Umbachs im Amt des Bürgermeisters stark machten, waren vor allem ehemalige politische Freunde Umbachs, die wie er in der Zeit der Weimarer Republik in der SPD aktiv gewesen waren.

Umbach der zunächst ebenfalls wegen seiner Parteizugehörigkeit aus der Stadtverwaltung entfernt worden war, wurde schon wenig später wieder eingestellt, weil er der NSDAP beigetreten war. Umbach begründete diesen Schritt in dem gegen ihn angestrengten Entnazi­fizierungsverfahren damit, dass ihn seine sozialdemokratischen Parteifreunde dringend gebeten hätten, in die NSDAP einzutreten, um wieder als städtischer Beamter eingestellt zu werden. Die Gegner des Regimes hofften, durch Wilhelm Umbach an Informationen über die Aktivitäten der nationalsozialistischen Ver­folgungsbehörden zu gelangen, die ihnen sonst nicht oder nicht rechtzeitig zuge­kommen wären. Diese Darstellung wurde im Spruchkammerverfahren gegen Umbach auch von einem Zeugen bestätigt. Aber auch wenn Umbach, wie viele seiner Kollegen, der Partei vor allem deshalb beigetreten wäre, um die Existenz seiner Familie zu sichern, so ist doch unbestreitbar, daß er seine Stellung in der Stadtverwaltung tatsächlich immer wieder nutzte, um aus politischen Motiven Verfolgten und jüdischen Einwohnern zu helfen. So bewahrte er unteranderm eine Einwohnerin, die nach der nationalsozialistischen Rassenideolo­gie als Jüdin galt, vor der Deportation und damit wahrscheinlich vor dem Tod. Mehrfach warnte er Menschen, die unvorsichtige politische Bemerkungen ge­macht hatten und angezeigt worden waren, vor der bevorstehenden Vernehmung oder Verhaftung durch die Gestapo oder er nutzte alle ihm zur Verfügung stehen­den Möglichkeiten, um Verhaftungen zu verhindern. Verfolgten Sozialdemokra­ten und Kommunisten, die mit ihren Familien in wirtschaftliche Not geraten wa­ren, verhalf er zu materieller Unterstützung oder zu einer Arbeitsstelle. Die Liste der Hilfsmaßnahmen ließe sich noch um ein Vielfaches erweitern. Unter den Menschen, denen Umbach Hilfe leistete, war übrigens auch Jakob Heil, den späteren Landrat des Kreis Offenbach, den er bald nach der Machtergreifung von einer geplanten Verhaftung informieren ließ. Bei all diesen Hilfeleistungen brachte sich Umbach selbst in Gefahr. Wie Zeugen im Spruchkammerverfahren gegen ihn bestätigten, war die Gestapo im Laufe der Zeit auf den Stadtobersekretär aufmerksam geworden, und vermutlich hätte der Staatspolizei ein geringfügiger Anlass genügt, um gegen Umbach vorzugehen.

Im Oktober 1945 trat Wilhelm Umbach resigniert vom Amt des Bürgermeisters zurück. Offiziell gab er als Grund ein Nierenleiden an, zu dessen Behandlung er sich in ein Krankenhaus begab. Später räumte er jedoch ein, daß er in Wirklich­keit vor allem wegen der persönlichen Angriffe seiner Gegner zurückgetreten sei.

Am 1.6.1946 wurde er aus dem Dienst der Gemeindeverwaltung entlassen.

Bei den Gemeindewahlen im März 1948 gewann die SPD sieben von zwölf möglichen Sitzen im Gemeinderat und nominierte Wilhelm Umbach zu ihren Bürgermeisterkandidaten. Wilhelm Umbach wurde kurz vor der Währungsreform vom Stadtparlament einstimmig zum Bürgermeister von Langen gewählt. Knapp drei Jahre nach seinem Rücktritt kehrte Wilhelm Umbach am 1. Juli 1948 an die Spitze der Langener Stadtverwaltung zurück. Der Beginn seiner zweiten Amtsperiode als Bürgermeister fiel in eine Epoche die an Wilhelm Umbach kaum geringere Anforderungen stellte als die Zeit unmittelbar nach dem Weltkrieg. Die Folgen des „Dritten Reiches“ und des Zweiten Weltkrieges mussten beseitigt werden. Noch beherrschten Hunger und materielle Not das Leben der Menschen. Die Bewirtschaftung und Rationierung der lebenswichtigen Nahrungsmittel und Bedarfsgüter war erst vor kurzem eingestellt worden. Nur sehr langsam wurde spürbar, dass die Währungsreform und die Vorboten des späteren „Wirtschaftswunders“ hinüberleiteten zu einer neuen Epoche der Langener Stadtgeschichte.

 
Die Aufwärtsentwicklung spiegelt sich deutlich in den Einwohnerzahlen. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden rund 9000 Einwohner registriert, am Ende des Krieges waren es mehr als 10.00 Menschen darunter zahlreiche Ausgebombte, Evakuierte und Leute die der Krieg aus ihrer an­gestammten Heimat verschlagen hatte. Dazu kamen dann noch viele Flüchtlinge aus den deutschen Ost­gebieten, aus dem Sudetenland und vom Balkan.  In den früheren Jahrzehnten war Langen überwie­gend Arbeiterwohnsitzgemeinde. Die Bevölkerung hatte weitgehend in den nahen Großstädten ihren Arbeitsplatz und pendelte zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort hin und her.
Obwohl Langen fast keine Schäden durch den Krieg erlitten hatte, war die Stadt überfüllt. Viele Menschen mussten mit Wohnraum, mit Nahrung, Kleidung und den notwendigsten Gütern versorgt werden. Das stellte große Anforderungen an die Ver­waltung, die kaum zu lösen waren. Die kommunale Selbstverwaltung stand noch in den Anfängen und alles bewegte sich im starren Rahmen des Besat­zungs- und Bewirtschaftungsrechts, so dass sich das gemeindliche Leben eigentlich nur auf das Verwalten des Vorhandenen beschränkte. Zunächst galt es, den Lebensbedarf für die Bevölkerung zu sichern, Wohnraum zu schaffen. Gewerbe und Industrie anzusiedeln, Straßen und Kanäle zu bauen, die Stadt mit Energie und Wasser zu versorgen, Schulen zu erstellen und das kulturelle Leben wieder in Gang zu bringen.
Das größte geschlossene Neubaugebiet Langens ist die Wohnstadt Oberlinden mit der Nebenerwerbsiedlung in der Wohnraum für 6.000 Menschen geschaffen wurde.
Der Ansiedlung namhafter Industriebetriebe und gewerblicher Unternehmen verdankt die Stadt eine beachtliche Steuerkraft. Das geht am besten aus einem Vergleich der Gewerbesteuer-Einnahmen hervor: Während 1948 ganze 196 000 Mark eingenommen wurden, betrug das Gewerbesteuer-Aufkommen 1964 4 300 000 Mark. Da die Gewerbesteuer nach wie vor die bedeutendste Steuereinnahme der Gemeinden ist, entscheidet sie praktisch darüber, was eine Gemeinde ihren Bürgern bieten kann und was nicht.
Neben diesen steuerlichen Gesichtspunkten war aber auch die Schaffung von über 9.600 qualifizierter Arbeitsplätze erst möglich geworden.

Durch das schnelle Wachstum der Bevölkerung war ein großer Nahholbedarf an Schulen und Kindergärten vorhanden der in kurzer Zeit behoben werden musste. Gleiches galt auch für den Straßenbau und der Kanalisation.

Wilhelm Umbach verstarb am 20.10.1979.